In einem einleitenden Kapitel «Grundlegung» (S. 11) werden sowohl die Methodik der vorliegenden Untersuchung als auch der Forschungsstand zu Hildegard v. Bingen und ihrem literarischen Ouvre beschrieben. Der erste Teil des Bandes widmet sich den «Basishandschriften und Editionen der Werke Hildegards» (S. 31), um deren Überlieferungsgeschichte zu analysieren. Hierbei wird zunächst ein sog. Riesencodex (Wiesbaden, HLB, 2: a. 1173-1182/87) vorgestellt, der wahrscheinlich auf Veranlassung Hildegards angelegt - aber erst nach ihrem Tod fertiggestellt - wurde und eine Art geplante Gesamtausgabe ihrer Werke darstellt, unter kodikologischen, paläographischen sowie überlieferungsgeschichtlichen Aspekten untersucht und ein Datierungsversuch unternommen. In den folgenden Kapiteln nimmt der A. die einzelnen Werke Hildegards im Lichte mittelalterlicher Rezeption bzw. Wirkungsgeschichte unter die Lupe, listet die Überlieferungszeugen ggf. mit Verweisen auf Form, Inhalt und Entstehungszeit auf und gibt - soweit vorhanden - die jeweiligen Editiones principes bzw. neuere Editionen an. Erwähnung finden hierin: der
Scivias, der
Liber vitae meritorum (unter besonderer Berücksichtigung der vollständigen Textzeugen Dendermonde 9 (vor 1176), Trier, Bischöfl. Priesterseminar, 68 (ca. 1170/79), Berlin, SB, theol. f. 727 (XII. Jh.), Wien, ÖNB, 1016 (theol. 382) (XII. Jh.) und des sog. «Riesencodex»), der
Liber divinorum operum (der vollständig in den Handschriften Gent, Bibl. der Rijksuniversiteit, 241 (a. 1170-1174), Troyes, BM, 683 (letztes Viertel XII. Jh., XIII. Jh.), Lucca, Bibl. Statale, 1942 (1. Hälfte XIII. Jh.), Tier, Stadtbibl., 722/277 4° (a. 1487, 1489), London, BL, Add. 15418 und im «Riesencodex» überliefert), das
Epistolarium (mit Bemerkungen zu häufig mit-überlieferten hagiographischen Texten wie die
Vita Ruperti und die
Vita Disibodi sowie zu einzelnen Briefen oder Brieftraktaten, die «eine eigenständige Überlieferung entwickelten» (S. 210) wie die
Explicatio Regulae s. Benedicti, die
Explanatio symboli s. Athanasii, die
Solutiones triginta octo quaestiones, die
Expositiones evangeliorum), die Schriften
Lingua ignota und
Litterae ignotae (mit besonderem Hinweis auf den Wiener Kodex 1016), die medizinisch-naturkundlichen Werke wie der
Liber compositae medicinae (
Causae et curae; überliefert nur in einem einzigen vollständigen Kopenhagener Kodex, Ny kgl. 90b 2°: Mitte/drittes Viertel XIII. Jh.) und der
Liber simplicis medicinae (
Physica, insb. unter Berücksichtigung der Textzeugen Florenz, Laurenziana, Ashb. 1323: vor 1292; Wolfenbüttel, HAB, 56. 2 Aug. 4° (
olim 3591): spätes XIII./Anfang XIV. Jh.; Paris, BNF, lat. 6952: 1. Hälfte XV. Jh.; Brüssel, BR, 2551 (olim 1494): Mitte XV. Jh.; Vat. Ferr. 921: Mitte/Ende XV. Jh.). Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit der eigentlichen Rezeption der Werke Hildegards. Hierbei legt der A. zunächst besonderes Augenmerk auf die Historiographie zu Lebzeiten bzw. nach dem Tod Hildegards und berücksichtigt u. a. einen Brief des Johannes v. Salisbury an Girardus de Pucelle, die Chronik des sog. Wilhelm Godell, den
Speculum futurorum temporum des Gebeno v. Eberbach, die
Annales Stadenses des Albert v. Stade, das
Chronicon des Robert v. Auxerre, den
Speculum historiale des Vinzenz v. Beauvais, die
Vita s. Engelberti sowie die Osterhomilie des Caesarius v. Heisterbach, die
Chronica maiora des Matthaeus Parisiensis, die
Chronica des Johannes v. Wallingford, die
Gesta Senoniensis ecclesiae des Richer v. Sens, den Traktat zur Armut des John Pecham, die
Chronica Coloniensis, die
Gesta Treverorum, die
Chronica des Alberich v. Troisfontaines, die
Annales des Magnus Presbyter, die
Expositio super Apocalypsim des (Ps.-) Arnaldus de Villanova,
De antichristo des Johannes v. Paris (Quidort), die Quaestio
Utrum astrologi des Heinrich v. Harclay,
Vademecum in tribulatione des Jean de Roquetaillade, der
Liber de rebus memorabilioribus sive Chronicon des Heinrich v. Herford, das
Mare historiarum des Giovanni Colonna, die
Annales Palidenses, die
Annales et notae Scheftlarienses maiores a. 1092-1247, die
Annales S. Disibodi anno 891-1200, der
Liber de calamitate ecclesiae Moguntinae des Christian v. Mainz, die
Annales Zwiefaltenses, die
Fragmenta annalium S. Blasii Brunsvicensium maiorum, die Chronik der Grafen von der Mark des Levold v. Northof, die
Chronica monasterii Sancti Bertini des Johannes Longus de Ipra, die
Annales Marbacenses, die
Annales historiae illustrium principum Hanoniae des Jacobus de Guisia, die
Chronica pontificum Romanorum des Thomas Ebendorfer. In einem weiteren Schritt beleuchtet der Vf. «[Pseudo-]Hildegard im Rahmen literarischer Rezeptionszusammenhänge» (S. 423). Bevor der A. seine Untersuchung mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick abschließt, skizziert er noch die Rolle des Johannes Trithemius innerhalb der Verbreitung bzw. Popularisierung der Schriften sowie des Kultes der Hildegard und versucht, seine Motive für dieses Unternehmen zu eruieren. Eine ausführliche Bibliographie, ein Stellenregister der Bibel sowie ein Index der Personen und Handschriften runden den Band ab. Rez. von Konrad Bund in «Mittellateinisches Jahrbuch» 40 (2005 ) 267-71. (Michael Bachmann)
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