1432 ließ Kardinal Giordano Orsini einen Saal seines Palasts auf dem Montegiordano mit einer gemalten Weltchronik ausschmücken. Die Chronik hatte die Form eines Heldenkatalogs mit Einzeldarstellungen der Protagonisten der Geschichte von Adam und Eva bis zum Mongolenkhan Tamerlan. Ergänzt wurden die Bilder durch Tituli mit dem Namen der jeweiligen Person, Daten und kurzen Erläuterungen. Zwar wurden die Wandmalereien Ende des 15. Jh. zerstört, es sind aber mehrere Hss. erhalten, die Entwürfe, Kopien des Zyklus oder Abschriften der Tituli überliefern. Die Arbeit teilt sich in drei große Abschnitte: Im ersten Teil («Die Überschriften der Wandmalereien») beschreibt die Vf. alle Hss. und stellt ein Stemma auf: Die Hss. Amsterdam, Bibl. Philosophica Hermetica, s.n., und Torino, Bibl. Reale, Varia 102, überliefern zwei Entwurfsstadien. Die Crespi-Chronik (C: Mailand, Sammlung Crespi) bietet eine komplette Kopie der Wandgemälde. Die Cockerell-Chronik (Co) ist eine Kopie von C, ihre neun Pergamentblätter werden einzeln an folgenden Orten aufbewahrt: Amsterdam, Rijksmuseum, Rijksprentenkabinet, RP-T-1959-16; Berlin, Kupferstichkabinett der Staatl. Museen Preuß. Kulturbesitz, KdZ 24599; Hilversum, Liberna Foundation; Melbourne, National Gallery of Victoria, Felton 1966; New York, Metropolitan Museum of Art, Bequest of Walter C. Baker, 1971 (1972.118.10); ebd., Harris Brisbane Dick Fund, 1958 (58.105); Ottawa, National Gallery of Canada, 9896 Popham 17; Woodner Collections on deposit at the National Gallery of Art, Washington, D.C.; Privatbesitz. Die Hss. Paris, BNF, lat. 9673, und Dijon, BM, 2949, sind Kopien von Co. Die Mustersammlung Roma, Istituto nazionale per la Grafica, F.N. 2818-2833, ist eine direkte Kopie des Gemäldes, beschränkt auf Helden der römischen Geschichte. Die Hss. Arezzo, Bibl. Città di Arezzo, 63, und Stuttgart, WLB, Theol. et phil. 4° 171, überliefern nur die Tituli. Im zweiten Abschnitt («Die Tradition der Weltchronik von Montegiordano») beschreibt die Vf. verschiedene Typen von Weltchroniken, vergleicht die Figurenauswahl in Montegiordano mit den Chroniken des Isidor von Sevilla (
Etymologiae), Beda Venerabilis (
Chronica minora), Vincenz von Beauvais (
Speculum historiale), Martin von Troppau (
Chronicon Pontificum et Imperatorum) und Petrus von Poitiers (
Compendium historiae in genealogia Christi) und fragt nach Vorbildern für den Typ der Protagonistenchronik. Die Vf. zeigt ferner, dass in szenischen Beigaben und Attributen der Wandgemälde häufig Bezüge zu Sammlungen historischer Exempla sichtbar sind, so etwa zum
Policraticus Johannes' von Salisbury. Im dritten Teil («Die Wandmalereien in ihrer Entstehungszeit») geht die Vf. u. a. auf die ikonographische Tradition der Darstellungen (Isidor
Etymologiae; Vinzenz von Beauvais
Speculum historiale), auf die Biographie Kardinal Orsinis, die Humanisten in seinem Umkreis und den Niederschlag frühhumanistischer Geschichtsphilosophie im Bildprogramm der Wandgemälde ein. Auf die Zusammenfassung der Ergebnisse folgen kurze Zusammenfassungen auf englisch und italienisch. Im Anhang finden sich Erläuterungen zum Heldenkatalog und Editionen der Tituluslisten aller Hss. (mit Kommentar) sowie zweier möglicher literarischer Vorbilder für den Figurenzyklus, der
Tabula alphabetica des Cristoforo Buondelmonte (Rimini, Bibl. Civica, SC-MS 47) und der Heldenliste aus der Enzyklopädie
Fons mirabilium universi des Domenico Bandini (Vat. lat. 2028 und lat. 2029; Firenze, Laurenziana, Aed. 170, 171 und 172). Ein Register der Personen, Orte und Sachbegriffe erschließt den Band. (Franziska Schnoor)
Riduci